Zum Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. StPO und zur Annahme eines …

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Zum Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. StPO und zur Annahme eines Beweisverwertungsverbotes hat das AG Zeitz hat in einem Beschluss vom 03.08.2015 – 13 OWi 723 Js 204201/15 – den Betroffenen freigesprochen und folgendes entschieden:

Der Betroffene hat gegen den Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde – Zentrale Bußgeldstelle im Technischen Polizeiamt – vom 22.12.2014 (AZ: 38.08.064990.9) fristgerecht Einspruch eingelegt.

Mit dem Bußgeldbescheid wird der Betroffene beschuldigt, am 05.10.2014 um 16:30 Uhr in Zeitz, Am Güterbahnhof, als Führer des PKWs Mercedes mit amtl. Kennzeichen xxx das Kraftfahrzeug unter Wirkung des berauschenden Mittels (Tetrahydrocannabinol 8,3 ng/ml, Methamphetamin 180 ng/ml, Amphetamin 30 ng/ml) geführt zu haben.

Von diesem Vorwurf war der Betroffene freizusprechen, weil ihm die Tat nicht in rechtsstaatlich noch hinzunehmender Weise nachzuweisen ist. Das einzige zum Tatnachweis zur Verfügung geeignete Beweismittel, das Untersuchungsergebnis der Blutprobenentnahme, darf nicht verwertet werden. Eine Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung i.S.d.§ 81 a Abs.2 StPO hat es nicht gegeben. Dass kein erkennbarer Versuch stattgefunden hat, den Bereitschaftsrichter zu erreichen, stellt sich insgesamt als nicht frei von Willkür dar

Das ergibt sich aus Folgendem:

Der Zeuge POM ppp. ist am 05.10.2014 dokumentiert, um 16:30 Uhr sei der PKW Mercedes pppp. am Güterbahnhof in Zeitz festgestellt, angehalten und kontrolliert worden. Fahrzeugführer sei der Betroffene gewesen. Ein freiwilliger Drogenschnelltest habe eine positive Reaktion auf Einnahme von Methamphetamin und Amphetamin ergeben. Der Betroffene sei belehrt worden und zwecks Blutprobenentnahme zum Klinikum Zeitz verbracht worden. Der Blutprobenentnahme habe der Betroffene nicht zugestimmt. Die Anordnung sei daher aufgrund Gefahr im Verzuge durch den Zeugen erfolgt (Bl.4, 18 d.A.).

Der Zeuge ppp. ordnete die Blutprobenentnahme gem.81a StPO an (BI.6).

Bei der Untersuchung wurden folgende Substanzen nachgewiesen (BI.10 d.A.):
Cannabinoidbestätigung:
Serum: Tetrahydrocannabinol 8,3 ng/ml
und THC-Metabolite
11-Hydroxy-THC 4,3
ng/ml THC-Carbonsäure 120 ng/ml
Bestätigung für Amphetamine:
Serum: Amphetamin 30 ng/m1
Methamphetamin 180 ng/ml

Ausweislich des Dienstplans für den gemeinsamen richterlichen Bereitschaftsdienst der Amtsgerichte Naumburg, Weißenfels und Zeitz stand am Sonntag, 05.10.2014, RiAG ppp. AG Zeitz, von 08:30 Uhr bis 21:00 Uhr als Bereitschaftsrichter zur Verfügung (BI.45-45R d.A.).

Der Zeuge ppp. hat zur Frage nach Gefahr im Verzug angegeben: „Zur Frage der Anordnung der Blutprobenentnahme können durch Unterzeichner keine Angaben mehr gemacht werden. Im Laufe der letzten Monate und Jahre wurden ständig neue Weisungen und Verfügungen der StA und Richterschaft bzw. durch die Polizeidirektionen erlassen, sodass es dem Unterzeichner schlichtweg unmöglich ist, zum heutigen Zeitpunkt nachzuvollziehen, welche Verfügung oder Weisung zum Tatzeitpunkt Gültigkeit besaß. In der Regel wird und wurde auch in der Vergangenheit bei fehlender Zustimmung des Beschuldigten/Betroffenen durch den handelnden Beamten der Diensthabende des RK Zeitz darüber informiert, welcher dann den Bereitschaftsstaatsanwalt bzw. den Bereitschaftsrichter telefonisch in Kenntnis setzt, sofern ein solcher erreichbar ist. Ob dies im vorliegenden Fall geschehen ist, kann durch Unterzeichner nicht negiert oder bestätigt werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass zumindest der Diensthabende des RK Zeitz benachrichtigt wurde.

Evtl. hat zum Tatzeitpunkt sogar eine Weisung oder Verfügung existiert, die von vornherein am Wochenende einen richterlichen Eildienst ausschloss. Dies kann durch Unterzeichner jedoch nicht mit Gewissheit gesagt werden. Aktuell ist es definitiv so, dass die Erreichbarkeit des Bereitschaftsrichters in der Zeit von 21:00 Uhr bis 05:00 Uhr per Weisung nicht gegeben ist, sodass immer von “Gefahr im Verzuge” auszugehen ist. Warum eine solche Weisung existiert, ist für den Unterzeichner ebenso nicht nachvollziehbar. Außerdem gibt es genügend Beispiele dafür, dass Bereitschaftsrichter tel. nicht erreichbar sind, obwohl sie dies laut Zeitangabe sein müssten.

Weiteres kann durch Unterzeichner nicht angegeben werden. In Zukunft wird der Unterzeichner immer persönlich und zu jeder Zeit versuchen, den Bereitschaftsrichter bzw. den Bereitschaftsstaatsanwalt zu erreichen, wie es der § 81 a Abs. 2 StPO vorschreibt’ (BI.41 d.A.).

Der Zeuge POK ppp. hat vermerkt: „Zur Frage, ob durch Unterzeichner versucht wurde, den richterlichen Bereitschaftsdienst zwecks der Blutprobenentnahme zu erreichen, kann dieser zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Angaben mehr tätigen. Es konnten keine Aufzeichnungen bekannt gemacht werden, wo vermerkt wurde, ob durch Unterzeichner versucht wurde, den richterlichen Eildienst zu erreichen.

Im Laufe der letzten Jahre gab es ständig neue Verfügungen bzw. Weisungen der Richterschaft und Staatsanwaltschaft bzw. Polizeidirektionen, wie es mit der Informationspflicht des richterlichen Eildienstes zu handeln gewesen ist. Welche der Verfügungen zum damaligen Zeitpunkt bestanden kann durch Unterzeichner nicht nachvollzogen werden.

Weitere Angaben können nicht getätigt werden.”

Eine Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung bestand objektiv nicht. Ein Bereitschaftsrichter stand zur Verfügung. Anhaltspunkte dafür, dass die richterliche Anordnung ohne Aktenvorlage von vornherein verweigert worden wäre, sind weder dokumentiert noch sonst auch nur ansatzweise ersichtlich. Eine fernmündliche richterliche Anordnung war nicht nur nicht von vornherein ausgeschlossen, sondern wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit sogleich erfolgt. Es handelte sich um einen überschaubaren und einfachen Sachverhalt, die Fahrereigenschaft des Betroffenen stand außer Frage, und es gab aufgrund des Ergebnisses des Drogenschnelltests Drogenbeeinflussung, die den Verdacht einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit begründeten.
 
Es ist nichts dokumentiert, aus dem entnommen werden könnte, dass es einen Versuch gegeben hätte, den Bereitschaftsrichter zu erreichen. Es ist liegt vielmehr auf es einen solchen Versuch auch nicht gegeben hat, denn es ist davon auszugehen, dass dann der Bereitschaftsrichter erreicht worden wäre und die Blutprobenentnahme fernmündlich angeordnet hätte.

Das Unterbleiben des Versuchs stellt sich im konkreten Fall als nicht frei von Willkür dar und führt zum Beweisverwertungsverbot. Von einem Beweisverwertungsverbot ist nur dann auszugehen, wenn einzelne Rechtsgüter durch Eingriffe fern jeder Rechtsgrundlage so massiv beeinträchtigt werden, dass dadurch das Ermittlungsverfahren als ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geordnetes Verfahren nachhaltig geschädigt wird und folglich jede andere Lösung als die Annahme eines Verwertungsverbots unerträglich wäre. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor bei bewusster und zielgerichteter Umgehung des Richtervorbehalts sowie bei willkürlicher Annahme von Gefahr im Verzug oder bei Vorliegen eines gleichwertigen, besonders schwerwiegenden Fehlers (OLG Schleswig, Beschluss vom 23.12.2009 – 2 Ss OWi 153/09, BeckRS 2010, 26145).

Vorliegend hat sich der Zeuge entweder gar nicht um den Richtervorbehalt gekümmert oder er wurde durch fehlerhafte Anweisungen seiner Vorgesetzten zur Erreichbarkeit der Richter davon abgehalten, sich um die richterliche Anordnung zu bemühen. Die Ignorierung des Richtervorbehalts stellt einen ein Beweisverwertungsverbot begründenden Umstand dar; werden Polizeibeamte durch fehlerhafte Anweisungen davon abgehalten, sich um die richterliche Anordnung zu bemühen, stellt dies nach Auffassung des Gerichts einen gleichwertigen, besonders schwerwiegenden Fehler dar.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 467 Abs. 1 StPO, 46 Abs.1 OWiG.

Eine dagegen erhobe Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wurde durch das OLG Naumburg mit Beschluss vom 5. November 2015 (Az: 2 Ws 201/15) als unbegrünet verworfen. Es führt aus, dass der Richtervorbehalt nicht willkürlich bewusst und gezielt umgangen werden darf. Dies gilt auch im Hinblick auf eine Blutentnahme, bei der es sich um einen minimalen Eingriff in die Rechte des Betroffenen handelt. Solange der Gesetzgeber den Richtervorbehalt vorsieht, haben sich Exekutive und Judikative daran zu halten. Das Untersuchungsergebnis einer – unter Missachtung des Richtervorbehalts des § 81a Abs.2 StPO – durchgeführten Blutprobenentnahme unterliegt einem Beweisverwertungsverbot.

I.
Dem Betroffenen liegt zur Last, am 5. Oktober 2014 um 16:30 Uhr in Zeitz einen Pkw Mercedes geführt zu haben, obwohl eine kurz darauf ihm entnommene Blutprobe eine erhebliche Konzentration illegaler Betäubungsmittel, nämlich THC, Amphetamin und Methamphetamin ergab, die jeweils über den gesetzlichen Grenzwerten lagen.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen freigesprochen, weil der Polizeibeamte ppp. nach einem freiwillig beim Betroffenen durchgeführten Drogenschnelltest gegen den Willen des Betroffenen eine Blutprobenentnahme wegen Gefahr im Verzuge anordnete, ohne sich vorher um eine richterliche Anordnung der Entnahme zu bemühen, obgleich ein richterlicher Eildienst an diesem Tage für die Zeit von 8:30 Uhr bis 21:00 Uhr bestand.

POM hat nicht dokumentiert, ob es einen Versuch gegeben hat, den Bereitschaftsrichter zu erreichen. Zu den entscheidenden Fragen hat er im wesentlichen Erinnerungslosigkeit bekundet.

Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass das Unterbleiben des Versuchs, eine richterliche Entscheidung einzuholen, nicht frei von Willkür war und somit zu einem Beweisverwertungsverbot führte.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die von der Generalstaatsanwalt vertreten wird. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, eine bewusste und gezielte Umgehung des Richtervorbehalts durch den Zeugen ppp. sei dem Beschluss nicht zu entnehmen. Vielmehr habe der Zeuge darauf gesetzt, dass der über den Sachverhalt unterrichtete Diensthabende des RK Zeitz – wenn er denn tatsächlich unterrichtet worden sein sollte, was der Zeuge indes auch nicht mehr genau wusste — versucht habe, den Bereitschaftsrichter zu erreichen und fernmündlich die richterliche Anordnung einzuholen.
 
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Recht angenommen, dass hier der Richtervorbehatt willkürlich bewusst und gezielt umgangen worden ist. Dafür spricht bereits, dass der Zeuge pp. nicht, wie erforderlich, schriftlich Gründe dafür niedergelegt hat, weshalb er sich nicht bemüht hat, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Information des Diensthabenden, wenn sie denn erfolgt sein sollte, reichte nicht aus, um dem Richtervorbehalt zu genügen. Die bloße Information des Diensthabenden ohne Rückfrage, ob der Richter erreicht wurde und wenn ja, wie er entschieden hat, würde nämlich den Richtervorbehalt in besonders deutlicher Weise missachten, nämlich dergestalt, dass der Richter zwar informiert werden soll, dem Polizeibeamten aber völlig egal ist, ob der Richter eine Blutentnahme anordnet oder diese ablehnt. Eine Respektierung des Richtervorbehalts setzt nicht nur die Information des Diensthabenden voraus, sondern auch eine Rückfrage dahingehend, ob der Richter erreicht wurde und wenn ja, ob er die Blutentnahme angeordnet oder eine solche Anordnung abgelehnt hat. All dies hat der Zeuge nicht getan, das erlaubt nur eine Schlussfolgerung: Es war ihm völlig gleichgültig, ob ein Richter erreichbar war und wenn ja, wie dieser entschied, auf jeden Fall wurde die Blutentnahme angeordnet.

Zuzustimmen ist der Generalstaatsanwaltschaft zwar, dass eine Blutentnahme einen minimalen Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt und es sinnvoll wäre, den Richtervorbehalt insoweit abzuschaffen. Solange der Gesetzgeber ihn indes vorsieht, haben sich Exekutive und Judikative daran zu halten, weil sie an das Gesetz gebunden sind.

Verfahrensgang:
AG Zeitz – Beschl. v. 03.08.2015 – 13 OWi 723 Js 204201/15
Oberlandesgericht Naumburg – Beschl. v. 05.11.2015 – 2 Ws 201/15